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Lesung: Von Vätern, Söhnen und Nazis

Lesung: Von Vätern, Söhnen und Nazis

Ein Mann steht vor einem Stehtisch und liest aus einem Buch vor. Im Hintergrund sind bunte Engelsfügel auf einer Wand zu sehen. Der Vorleser steht so, dass die Flügel rechts und links neben seinem Körper sind.

Lesung im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus – Von Vätern, Söhnen und Nazis

Im Mittelpunkt der Lesung stand die Frage:

Prägt der Mensch das System oder prägt das System den Menschen?

In dieser Veranstaltung kommen drei Schriftsteller bzw. Dichter zum Tragen: Edgar Selge (*1948), Peter Härtling (*1933, +2017) und Erich Fried (*1921, +1988).

Ausgangspunkt ist der Roman von Edgar Selge mit dem Titel „Hast du uns endlich gefunden“, aus dem wir die Aspekte der Denkweise der Eltern herausgreifen, die sich in den 60er Jahren noch nicht vom völkischen und hierarchischen Denken losgesagt haben, während die drei Kinder bereits in einer neuen Welt leben.

Dazu steht als Kontrapunkt Peter Härtlings „Wiedergefundene Liebe“, in dem der ältere Autor, der in seiner Kindheit begeisterter Hitlerjunge war, sich fiktiv mit seinem Vater unterhält, der gleich nach dem Krieg verstorben war. Der Junge hatte den Vater wegen dessen Abneigung gegen den Nationalsozialismus nicht verstanden.

Das Vorhandensein von nationalistischem, rassistischem Gedankengut in der frühen Bonner Republik wird bereits durch Gedichte von Erich Fried belegt.

Durch den am 24. Februar 2022 losgebrochenen Angriff Russlands auf die Ukraine bekommt die Veranstaltung am 27.03.2022 eine besondere Brisanz; zudem hier aus Propagandagründen die Begrifflichkeiten besonders auf russischer Seite verfälscht werden, wenn die demokratisch gewählte Regierung mit einem jüdischen Präsidenten als rassistisches Faschistensystem bezeichnet wird.

Moderiert wird die Veranstaltung durch Sylvie Janka, eine Mitbegründerin von Menschen in Hanau e.V.

Dr. Karl-Heinz Leister liest zwei Abschnitte aus Selges Buch, in denen es einmal um die Verehrung von Wehrmachtgenerälen geht, die Millionen Menschen auf dem Gewissen haben, und zum anderen die rassistische Denkweise der Eltern aufgedeckt wird, die bei Tischgesprächen deutlich wird.

Gerhard Roth liest aus Härtlings Werk, in dem dieser versucht, das Verhalten der Eltern und seine Verblendung durch den Nationalsozialismus zu schildern und zu erklären und seine nachgetragene Liebe zum Vater erklärt.

Die Gedichte von Erich Fried „Das Ärgernis“, „Gespräch mit einem Überlebenden“, „Schwächer“ und „Taten“ stimmen gerade in dieser Zeit des neuen Nationalismus, dem Auftreten neonazistischer Gruppen und deren Gewaltbereitschaft sehr nachdenklich. Vorgetragen werden die Gedichte von Claudia Selzer und Sylvie Janka.

Die Lesenden und die Veranstalter wollen mit dieser Lesung auf verschiedene Aspekte aufmerksam machen. Da ist die nicht verarbeitete Niederlage des Dritten Reichs und das Weiterleben von rassistischem und völkischem Denken in den Anfangsjahren der Bonner Republik. Sie fragen beim Publikum an, wie gerade bei der älteren, der sogenannten Nachkriegsgeneration, die Erzählungen der Kriegsgeneration ankamen. Es wird von Schweigen über die Nazizeit und die Gräueltaten und von Schönreden berichtet.

Zusätzlich stellt sich die Frage, welchen Einfluss Eltern auf die politische Einstellung der Kinder haben. Sowohl bei Peter Härtling als auch bei Edgar Selge scheinen die Kinder völlig abweichende politische Einstellungen zu haben, die konträr zur Einstellung der Eltern dargestellt werden.

Damit scheint die eingangs gestellte Frage weitgehend beantwortet zu sein: Das System beeinflusst die politische Einstellung junger Menschen anscheinend mehr als das Elternhaus. Damit wird auch deutlich, wie wichtig die Rolle der sozialen, außerfamiliären Umgebung junger Menschen bezüglich ihrer politischen Einstellung ist. Speziell durch die Gedichte Erich Frieds in Kombination mit unseren jüngsten Erfahrungen mit sogenannten Querdenkern, sogenannten Spaziergängern und Pegida-Aufmärschen wird die Gefahr durch neo-faschistische Bewegungen deutlich.

Autor des Artikels ist Dr. Karl-Heinz Leister – herzlichen Dank dafür!

Hier einige Eindrücke von der Veranstaltung, die im Familien- und Generationenzentrum Steinheim stattfand:

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